Kunstkontor Dr. Doris Möllers

Röhricht, Wolf (Liegnitz 1886 - 1953 München)

Ristorante Molinetto.

Öl auf Leinwand, unten rechts signiert, um 1920.

50,5 : 61 cm.

Verso mit dem Aufkleber "Galerien Thannhauser, Berlin Bellevuestr. 13, Luzern, Haldenstr. 11", dazu handschriftlich "Röhricht" sowie "20 9 44?", sowie das Fragment eines Aufklebers der Spedition Gustav Knauer, Berlin und einer handschriftlichen Nummerierung auf der Leinwand.

Provenienz: Privatsammlung Rheinland.

Wolf Röhricht studierte zunächst aufgrund des Wunsches des Vaters ab 1905 Jura und wurde 1913 mit Auszeichnung promoviert. Gleichzeitig begann er in München ein Studium an der Malschule von Heinrich Knirr, der ein große Zahl Schüler (darunter Paul Klee) ausbildete und ihn in die Aquarell-Technik einführte. 1905 reiste er erstmalig nach Frankreich und schuf in der Gegend von Grenoble erste Aquarelle. Um 1910 unternahm er eine Studienreise nach Paris, wo er u. a. bei Bernheim-Jeune die Cézanne-Retrospektive besuchte. Seit 1911 war Röhricht in Berlin ansässig, wo er sich mit Willy Jaeckel und Waldemar Rösler anfreundete. Dann zog es ihn 1913 erneut nach Paris und er besuchte die berühmte Académie Julian, wo er von Bonnard und Vuillard unterrichtet wurde, aber ebenso von der Kunst der Impressionisten und der Fauves beeindruckt wurde (die Arbeiten Van Gogh, Gauguins, Matisse und seines Kreises wird er auch bei Thannhauser in München gesehen haben). Desweiteren machte er hier Bekanntschaft mit Felix Vallotton und Kees van Dongen. Nach seiner Rückkehr nach Berlin Ende 1913 schloß er sich der in Gründung befindlichen Berliner Secession an und stellte 1914 auf deren ersten Ausstellung gemeinsam mit Barlach, Beckmann, Macke, Liebermann u.v.m. aus. Bis 1928 war er regelmäßig auf deren Ausstellungen vertreten. Seine Werke wurden in zahlreiche Museen vermittelt, 1919 wurde der erste Ankauf durch die Berliner Nationalgalerie getätig, weitere Museumsankäufe in Europa und USA folgten. Den ersten Weltkrieg verbrachte Röhricht gesundheitsbedingt als Zivildientleistender in Oberschlesien, wo er die großen Hüttenwerke als Motiv für sich entdeckt. Seine erste Einzelausstellung fand 1918 bei Ferdinand Möller in Berlin statt, 1920 eine Ausstellung gemeinsam mit Paul Klee bei Wolfgang Gurlitt. Durch eine Ausstellungsbeteiligung bei der Kestner-Gesellschaft in Hannover 1921 gelangten einige Bilder ins heutige Niedersächische Landesmuseum. 1919 wurde der Künstler in die Jury der Berliner Sezession unter dem Vorstand Schmidt-Rottluffs gewählt. Seit 1926 war Röhricht Lehrer an der Schule des Vereins Berliner Künstlerinnen. Er war auch Mitglied der Münchner Sezession und des Künstlerbundes Schlesien. Zahlreiche Reisen führten ihn quer durch Europa. Neben Käthe Kollwitz gehörte auch Röhricht zu der legendären  "Ateliergemeinschaft Klosterstraße" in Berlin.  "1937 wurden einige frühe Werke Röhrichts als >entartete Jugendsünden< aus dem Museum Erfurt und der Berliner Nationalgalerie entfernt und beschlagnahmt. Gleichzeitig war der Maler aber auf der ersten GDK vertreten, ebenso 1940 und 1943. Das Jahr 1940/41 verbrachte er als Studiengast der Villa Massimo in Rom." (Hartewig, Karin, Kunst für alle! Hitlers ästhetische Diktatur. BoB, Norderstedt 2017. S. 196 f.) "1937 - Fünf der seit 1919 von Museen angekauften Bilder Röhrichts werden für entartet erklärt und fallen dem nationalsozialistischen Kunstterror zum Opfer: ein Stilleben >Laute und Geige<, Nationalgalerie Berlin; >Hafen von Göteborg<, Nürnberg, Städtische Kunstsammlungen; die drei anderen Werke sind nicht mehr bestimmbar. Röhricht erhielt jedch kein Malverbot und konnte relativ unbeschadet weiterarbeiten." (Lüttichau, Mario-Andreas, Wolf Röhricht. Aquarelle. München 1986. S. 14) 1938 zog er nach Garmisch-Partenkirchen, seit 1948 lebte Röhricht in München. Der Großteil seines Frühwerkes, der im Stadtschloß Kuchelberg bei Liegnitz eingelagert war, gilt als verschollen, da "zerstört beziehungsweise mit unbekanntem Ziel abtransportiert" (Lüttichau S. 15). Ab 1948 gehörte er zum Vorstand der Ausstellungsleitung im Haus der Kunst. Das Haus Schlesien bei Bonn besitzt einige seiner Werke. Die Ostdeutsche Galerie in Regensburg bekam aus dem Nachlaß des Künstlers einige Werke als Stiftung.

Das Werk Röhrichts entzieht sich der Zuordnung einer bestimmten "Stil"-Richtung (manche schreiben es dem expressivien Realismus zu). Das entspricht voll und ganz dem eigenen Verständnis, das Röhricht bereits 1921 so umschreibt: "In diesen Jahren erkannte ich - und das ist auch heute noch meine Auffassung - daß die Frage des Künstlertums in erster Linie eine Charakterfrage ist. Hiermit soll nicht gesagt sein, daß ein guter Künstler ein guter Charakter im landläufigen Sinn sein muß, sicher aber ist, daß eine gewisse Charakterstärke zur Künstlerschaft mindestens ebenso wichtig ist wie das sogenannte Talent. Manchen scheint diese Stärke in der strengen Verfolgung von Theorien zu beruhen, ich glaube, daß das oberste Gesetz sein muß, sein eigenes Wesen zu erkennen und es in seiner Arbeit abzuspiegeln. Nur dann wird das Werk ehrlich sein, wenn es vielleicht auch dem Zeitgeschmack zuwiderläuft." (Röhricht, Wolf, Autobiographie. In: Das Graphische Jahr, hrsg. von Fritz Gurlitt, Berlin 1921.) Dennoch kann er sich des Einflußes der zeitgenössischen Strömungen nicht erwehren. "Paris und seine Aufgeschlossenheit gegenüber Neuerungen verhalf gerade der jungen deutschen Avantgarde zu neuen Ausdrucksmöglichkeiten in der Malerei. So gesehen waren die von Röhricht in Paris gesammelten Eindrücke für seine Entwicklung von allgemeiner Bedeutung. Neben dem Erlebnis, etwa im 29. >Salon des Indépendants< die farbige Interpretation des Kubismus durch Robert Delaunay zu studieren, das Flaire des schon legendären Café du Dôme, seit 1903 Ort der Kommunikation französischer und vor allem deutscher Künstler, zu erleben, war die intensive Entdeckung Cézannes, nach Röhrichts eigenen Worten, ein großes Erlebnis für ihn. Aber ebenso muß auch die Kunst von Matisse einen bleibenden Eindruck auf den noch >jungen< Künstler hinterlassen haben, denn beide künstlerische Auffassungen, sowohl die von Cézanne, als auch die von Matisse, finden vorwiegend in Röhrichts frühen Bildern eine entsprechende Berücksichtigung." (Lüttichau S. 28).
Unser Bild zeigt den Einfluß von Matisse ganz deutlich, gemäß dessen Äußerung "Genauigkeit ist nicht Wahrheit", wird die Komposition ins Abstrakte geführt, die Realität durch bewußte Vereinfachung der Form und die Aneinanderreihung der Farbflächen neu interpretiert. Es geht um die Beziehung von Licht und Farbe, deren Komposition eine vordergründige "Wirklichkeit" vermeiden will.

1927 stellte Wolf Röhricht in der Eröffnungsausstellung der Berliner Dependance der Galerie Heinrich Thannhauser dieses Bild aus. Die Galerie war 1909 in München gegründet worden und besaß seit 1919 eine Niederlassung in Luzern, die von Justin Thannhausers Cousin Siegfried Rosengart geleitet wurde. "Vor dem Einzug in die von den Architekten Luckhardt und Ancker grandios umgestalteten Räume in der Bellevuestraße hatte Thannhauser seine Berliner Eröffnung mit zwei von Julius Meier-Graefe begeistert gefeierten >Sonderausstellungen< im Künstlerhaus in der Bellevuestraße 2, direkt gegenüber dem Esplande, vorbereitet. Seit ihrer Erstausstellung des Blauen Reiters von 1911/12 und ihrer bahnbrechenden Picasso-Schau von 1913 - der bis dahin weltweit umfangreichsten Ausstellung mit Werken von der blauen Periode bis zu den gerade fertiggestellten Arbeiten - zählte die Galerie zu den führenden Europas, und dementsprechend prominent waren ihre Kunden, über die man genauestens Buch führte." (Herzog, Günther, Der neue Kunde. Zentralarchiv für deutsche und internationale Kunstmarktforschung; www.artcontent.de/zadik)
Die Eröffnungsausstellung im Juni 1927 zeigte 356 Werke meist deutscher Künstler, darunter Barlach, Beckmann, Corinth, Dix, Feininger, Grosz, Klee, Kokoschka, Liebermann, Marc und Menzel, womit man den Stellenwert, der diesem Gemälde Röhrichts beigemessen wurde, erahnen kann. "So offen, so transparent wie das neue Galeriegebäude, das Justin Thannhauser im Juni 1927 an der baumbestandenen Berliner Bellevuestraße 13 eröffnete, war kaum eine andere Kunsthandlung in Berlin, der deutschen Kulturhauptstadt jener Jahre. Die Berliner Architekten Hans und Wassili Luckhardt und Alfons Anker hatte vor das 19001/02 von der Familie Müller beauftragte, konventionelle Geschäftshaus nahe dem Potsdamer Platz ein modernes eingeschossiges Eingangsgebäude mit einer Schaufensterfläche aus einer einzigen gebogenen Spiegelglasscheibe gesetzt. In dieser öffentlichen Vitrine konnte der kunstinteressierte Flaneur schon von außen sehen, was ihn im Inneren erwartete. (...) In der Galerie selbst allerdings herrschte schon damals die gleiche Diskretion, die bis heute den internationalen Kunsthandel auszeichnet. Für besondere Kunden standen in den oberen Stockwerken Räume zur Verfügung, in denen Werke exklusiv gezeigt und über Preise verhandelt werden konnte. Und es gab die Büros, in denen die Mitarbeiter der Galerie nach jedem Kundenbesuch ausführlich das notierten, was ihnen wichtig erschien (...) " (Koldehoff, Stefan, Die Galerie Thannhauser. Van Gogh wird zur Marke. Stuttgart 2017. S. 56).
Das Stammhaus der jüdischen Kunsthändler in München wurde 1928 aufgelöst, die Nationalsozialisten beschlagnahmten 1937 die Bestände. Justin Thannhauser emigrierte erst nach Paris, wo die Werke seiner dort gegründeten Galerie 1941 beschlagnahmt wurden, dann nach New York, dort gründete er erneut eine Kunsthandlung. Seine private Sammlung vermachte er 1963 dem Guggenheim-Museum in New York.


Ohne Titel (Skifahrer).

Aquarell über Bleistift auf festem Papier, mit Bleistift signiert, um 1925. 49,5 : 39,5 cm. Provenienz: Privatsammlung Westfalen. Die rechte untere Ecke mit kleinem Ausriss, die übrigen Ecken etwas bestoßen, leichte Altersspuren; von schöner Farbfrische. Parallel zum Skifilm (Luis Trenker) nahm das Interesse am Skilaufen in den 1920er Jahren dank des wachsenden Bergtourismus stätig zu. Skischulen und Wettbewerbe wurden ins Leben gerufen.

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