Kunstkontor Dr. Doris Möllers

Schlichter, Rudolf (Calw 1890 -1955 München)

Der Bräutigam

Kreide-Lithographie auf Bütten, mit Bleistift signiert, 1922. 34,3 : 24,8  cm auf 41 :  31 cm.  Blatt 9 der 3. Mappe des III. Jahrgangs der "Schaffenden", mit dem Trockenstempel des Euphorionverlages. Eins von 100 Exemplaren (Gesamtauflage 125). Söhn HDO 72711-9.Verso Montierunsgreste.
Provenienz: Privatsammlung Schleswig-Holstein.

"Schlichter blieb Gefangener einer Obsession, die nur in der Kombination von Knöpfstiefelfetischismus und Strangulation zur Triebbefriedigung gelangte. Ein bislang unbekannter, schonungsloser Befund aus dem 'Geheimen Tagebuch' 1942 dokumentiert Schlichters Not: >Warum werde ich diese Besessenheit nicht los? Wenn ich meine Knöpfstiefel anziehe, spüre ich schon den Trieb zur Entladung rumoren. Eine Viertelstunde später hänge ich bereits mit zuckenden Füßen. Was ist dies alles, welches Geheimnis liegt hier zu Grunde? Ein Gegenstand aus Leder mit Knöpfen u. Knopflöchern, den ich über meine Füße ziehe [,] ist im Stande, alle Dämonen der Wollust zu entfesseln. Ist es ein Symbol, ist es ein Gleichnis, ist es eine böse zauberische Verwandlung? <" (Adriani, Götz, Rudolf Schlichter. Katalog der Ausstellung in der Kunsthalle Tübingen, dem Von der Heydt-Museum Wuppertal und der Städtischen Galerie im Lenbachhaus München 1997-1998. S. 32)

Ekstase (auch Liebesszene; Illustration zu 'Tausendundeine Nacht')

Vernis-mou mit Tonplatte in braun auf Bütten, mit Bleistift signiert und nummeriert, 1913. 18,6 : 24 cm auf 29,8  :  34,8 cm.  Eins von 20 Exemplaren.
Geringfügig fleckig, verso mit Montierungsresten.
Verso mit der Bleistiftnotation von alter Hand: R. Schlichter 'Ekstase' hochapartes Blatt; 18 Drucke, vergriffen, Platte zerstört". Dazu ein Sammlungsstempel in blau : MQ (ligiert), nicht bei Lugt.
Sehr selten!
Provenienz: Privatsammlung Schleswig-Holstein.

Entstanden während seines Studiums an der Kunstakademie in Karlsruhe, wo er mit dem Verkauf pornographischer Graphik seinen Lebensunterhalt bestreitet. In dieser Zeit lebt er mit der Prostituierten Fanny zusammen. "Ich kultivierte eine Religion des Bösen, trieb einen Kult des Lasters und konnte doch die warnende Stimme des Gewissens nie ganz betäuben." (Rudolf Schlichter)

"Bereits in der Karlsruher Akademiezeit hatte Schlichter Kontakt zur 'Unterwelt' und war der 'Religion des Bösen' verfallen. Schlichters Freundin 'Fanny Hablützel' bestritt den gemeinsamen Unterhalt durch Prostitution. Um Fanny zu unterstützen, zeichnete Schlichter explizit pornographische Darstellungen. Diese Arbeiten 'legitimierte' Schlichter nachträglich auf ungewöhnliche Weise. Über seinen Nebenbuhler bei Fanny, den 'Einjährigen' Ernst Martin, lernte Schlichter in Karlsruhe den Antropologen Rudolf Martin (1864-1925) kennen. >Professor L.<, so die Verschlüsselung in 'Tönerne Füße', >huldigte< als >engster Freund des Schweizer Psychiaters und Sozialhygienikers Forel [...] dem Glauben an eine vernünftige Regelung des Geschlechtsverkehrs, den er ebenso vorurteilslos und sachlich behandell wissen wollte wie die Funktionen des Stuhlgangs oder des Urinablassens.< Schon Martins Frau Elise, diemit ihren beiden Söhnen Ernst und Kurt von ihrem Mann getrennt in Karlsruhe lebte, betrachtete eine >Mappe Radierungen und Zeichnungen< Schlichters mit >großem Interesse<. Möglicherweise zeigte Schlichter ihr seine >ersten Platten mit erotischen Szenen aus 'Tausendundeine Nacht' wie den 'Haremswächter' oder die 'Liebesszene' (um 1913). Ihm fiel jedenfalls >die vorurteilslosigkeit, mit der sie die gewagten Szenen meiner Darstellungen hinnahm, angenehm auf. Nicht weniger freute mich das seltene Verständnis für die graphische Subtilität einzelner Blätter.< Auch Professor Martin sah diese Blätter bei einem seiner Besuche in Karlsruhe, kritisierte zwar anfangs >die Unausgeglichenheit und mangelnde Kultur des Strichs<, kaufte aber dennoch vor einer Reise Schlichters nach Paris >drei Originale<." (Heißerer, Dirk, Eros und Gewalt. Schlichters 'Liebesvariation'. In: Adriani, Götz, Hrsg., Rudolf Schlichter. Katalog der Ausstellung in der Kunsthalle Tübingen, dem Von der Heydt-Museum Wuppertal und der Städtischen Galerie im Lenbachhaus München 1997/1998. S. 29)


Geparden

Tuschfederzeichnung auf festerem Papier, mit Bleistift signiert, datiert und betitelt, 1933. 46,3 : 63 cm. Am unteren Rand hinterlegter Einriss, die Ränder insgesamt etwas knittrig und fleckig. Verso Montagespuren.
Provenienz: Privatsammlung Schleswig-Holstein.

"Schlichter hat in seinen verschiedenen Werkphasen imm erwieder versucht, seine emotionale und intellektuelle Situation mit Hilfe von Tierzeichnungen und -bildern zu formulieren. In der Mitte der zwanziger Jahre wurde der 'Leopard' von einem sich auf dem Rücken wälzenden Panther abgelöst. Daneben zeichnete er Schakale in verschiedenen charakteristischen Körperhaltungen." Adriani, Götz, Hrsg.,Rudolf Schlichter. Katalog der Ausstellung in der Kunsthalle Tübingen, dem Von der Heydt-Museum Wuppertal und der Städtischen Galerie im Lenbachhaus München 1997-1998. S. 75


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