Schmidt-Rottluff, Karl (Rottluff bei Chemnitz 1884 - 1976 Berlin)
Menschenpaar.
Holzschnitt auf festem Bütten 1917. Schapire H 199. Erschienen in "Das Kunstblatt", Heft 2, 1918 (Stock zerstört). Sehr schön erhalten.
Inspiriert durch die Kunst Kameruns stellt Schmidt-Rottluff hier ein Paar in einer exotisch anmutenden Landschaft dar. Beide sind nackt, der Mann folgt mit den Augen den nach oben weisenden Gesten der Frau. Es könnte sich um eine Darstellung der Verführungsszene im Paradies handeln, die Schmidt-Rottluff hier vom biblischen Kontext befreit.
Gespräch vom Tod
Holzschnitt auf festem Bütten, mit Bleistift signiert und bezeichnet "2022" (für 22 Graphik in 1920), 1920. 17,8 : 13,6 cm auf 46 : 29,5 cm. Schapire H 267; Söhn HDO 311-4. Handabzug vor der Auflage von 100 Exemplaren für die Vorzugsausgabe von "Das Holzschnittbuch", herausgegeben von Paul Westheim. Provenienz: Privatsammlung Rheinland-Pfalz. Geringfügig fleckig, sonst schöner Frühdruck in sattem Schwarz.
Graphische Variante zu dem gleichnamigen Gemälde (Pinakothek der Moderne, München). In einem abgedunkelten Raum führen zwei Personen ein Gespräch über den Tod. Ihre überdimensierten Köpfe scheinen eine Reminessenz an die in der frühen Brückezeit entdeckten afrikanischen Plastiken zu sein. Schmidt-Rottluff folgt hier mit der Darstellung eines Dialoges einem 1912 von Heckel geschaffenen Bild, das zwei Männer im Gespräch unter dem Bild des Gekreuzigten darstellt. Hier jedoch fehlt der christliche Kontext. Stattdessen gibt es zwischen den Beiden (auf dem Gemälde gelblich leuchtend) eine prismatische Form, die eine Lampe oder ein Fenster darstellen kann. Bezüglich des Bildthemas deutet sie auf ein Zeichen des Trostes gegenüber der menschlichen Vergänglichkeit hin. Damit ist es ein für Schmidt-Rottluff typisches Werk der Nachkriegszeit, in der er nach all den Kriegserlebnissen in gleichnishafter Form menschliche Grundbefindlichkeiten thematisiert.
In der Sammlung Gerlinger befindet sich das Gemälde "Du und ich" von 1919. Es zeigt Schmidt-Rottluff mit seiner Ehefrau Emy Frisch kurz nach der Heirat vom 21. März 1919 in dem Leuchtturm von Hohwacht in der Lübecker Bucht. Die Komposition erinnert sehr an den Holzschnitt bzw. das Münchner Gemälde. Nun ist die mosaikartige Fläche eindeutig als Fenster gekennzeichnet und wird als Verbindung der beiden zur Außenwelt gedeutet.
Somit könnte also auch hier ein Doppelportät des Künstlers und seiner Frau vorliegen, dass das Paar in jenem Leuchtturm zeigt, über ihr Dasein sprechend. Immer deutlicher empfand Schmidt-Rottluff „dieses Gespanntsein zwischen Diesseits und Jenseits“, wie er selbst schrieb.
Kuss in Liebe.
Holzschnitt auf Velin, mit Bleistift signiert und bezeichnet, im Stock datiert, 1918. 50,2 : 38,7 cm auf 70,8 : 53,3 cm. Mit Bleistift als „184“ (= 4. Graphik in 1918) bezeichnet. Provenienz: Sammlung Dr. Elsa Hopf, Hamburg.
Einer von sehr wenigen Handabzügen vor der Auflage für die Mappe „Schmidt-Rottluff. 9 Holzschnitte“, erschienen bei Kurt Wolff, München, 1918, gedruckt in 75 Exemplaren bei Drugulin, Leipzig. Am äußersten rechten Rand kleiner Einriss und leicht knittrig.
Dr. Elsa Hopf (1875 - Hamburg -1943) war eine der ersten promovierten niedergelassenen Zahnärztinnen in Deutschland. Zu ihren engen Freundinnen gehörte die Kunstmäzenin Rosa Schapire (Brody/Ostgalizien 1874 – 1954 London), die heute neben den Brücke-Künstlern selbst als eine der Leitfiguren des deutschen Expressionismus gilt. Um 1910 trat Elsa Hopf wohl den passiven Mitgliedern der Brücke-Gemeinschaft bei, von denen es in Hamburg rund 20 gab. Damit war diese Gruppe die größte in Deutschland überhaupt, und sie wurde maßgeblich durch das Engagement der Kunsthistorikerin und Mentorin Rosa Schapire getragen. Ebenso wie die viel bekanntere jüdische Kunsthistorikerin pflegte Elsa Hopf eine besonders innige Beziehung zu Karl Schmidt- Rottluff, den sie 1910 in Dangast besuchte.
Die Holzschnitt-Mappe, bekannter unter dem Namen „Christus-Mappe“, entstand noch während des Ersten Weltkrieges an der Front und gilt als eines der graphischen Hauptwerke des Expressionismus. „In groß geschauten Bildnissen, Akten, Landschaften und figürlichen Kompositionen hat er oft genug den Beweis erbracht, daß er groß genug ist, um aus sich heraus eine neue Welt zu gebären, aus dem Zufälligen das Wesentliche herauszulösen, den geheimen Sinn zu offenbaren, der sich hinter den Erscheinungen verbirgt. Doch mag in den Gleichnissen des Neuen Testaments ein Element liegen, das, Tiefstes in ihm auslösend, seine Phantasie befruchtet hat; seine Schöpfungen sind frei von jeder Illustration, es sind neue Deutungen zu Christi Worten.
Die religiösen Holzschnitte bedeuten nicht nur einen Höhepunkt in Schmidt-Rottluffs Schaffen, unsere Zeit hat nichts hervorgebracht, in dem Inbrunst und Kraft der Gestaltung, das geheime Schweigen und die mystische Ruhe sich so durchdringen und in so strengem Sinne Form geworden sind.“ (Rosa Schapire).
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