Piet, Fernand (1869 - Paris - 1942)
Ohne Titel (Bretonischer Markt).
Öl auf Leinwand, kaschiert auf Pappe, rückseitig betitelt „C.... „ und datiert (18)97. 23 : 30,2 cm. Auf ehemaliger Rahmenrückwand der Nachlaß-Aufkleber „Sucession Fernand Piet“ und der Nummerierung „236“. Auf der Rückseite mit Bleistift ebenfalls mit 236 beziffert.
Anläßlich der Teilnahme am „Salon du Champ-du-Mars“ 1899 wird ihm große Anerkennung gezollt: „Herr Fernand Piet ist ein ureigener, eigenständiger Künstler. Vielleicht wird er von vielen übersehen, aber das zu Unrecht. Herr Piet malt die holländischen, belgischen, bretonischen Märkte, quirlige Bäuerinnen mit Geschirr, Gemüse oder Blumen auf den Plätzen der Städte und Dörfer. Es wimmelt und lebt und ist von einer seltenen Offenheit. Wie er die Muster wahrnimmt, die zufällig durch die Eierkörbe, die Kohlköpfe, die Teller und Tassen, die Wollknäuel und die Stoffbahnen entstehen! Und wie er es versteht, die Gesten und Blicke der Händlerinnen festzuhalten und wie er auf beste die volkstümlichen Szenen mit alten Häusern rahmt!“ (Émile Escande, Le Salon de Peinture de la Société Nationale. In: L‘oeuvre d‘Art. Nr. 146. Paris, 1. Juni 1899)
Aufgrund seiner Vorliebe für die ländlichen Märkte, wurde Piet von einem Kunstkritiker mit dem Titel „Historiographe de marchés“ geehrt.
Gauguin war im Sommer 1886 in Pont-Aven eingetroffen, mit dem Ziel, in der Bretagne, in der ursprünglichen Natur und inmitten der bretonischen Traditionen, aber auch mit geringeren Kosten als in Paris leben und arbeiten zu können. „Für Gauguin - wie für die meisten Franzosen des 19. Jahrhunderts- war die Bretagne >wild< und völlig fremd. Die Sprache ist mehr mit dem Walisischen verwandt als mit dem Französischen; ihre frühen Bewohner schufen geheimnisvolle Menhire und Dolmen, betrieben in den kalten Gewässern des Nordatlantik Fischfang und pflegten die Weitergabe mündlich überlieferter Volkssagen und Mythen, die dann von der Mitte bis Ende des 19. Jahrhunderts gesammelt und veröffentlicht wurden. Die bretonische Religion gründete zwar offiziell auf dem Katholizismus, belebte aber dessen Rituale mit einer heidnischen Intensität. Auf die Bretagne hatte die moderne Welt des urbanen Paris mit ihren Eisenbahnen, Fabriken und kommerziellen Unternehmen kaum einen sichtbaren Einfluß; Künstler fühlten sich hier an der Quelle einer alten nordeuropäischen Kultur.“ (Brettel, Richard, Gauguin, die Maler von Pont-Aven und die Kunst des 20. Jahrhunderts. in: Pickvande, Ronald, Gauguin und die Schule von Pont-Aven. Katalog der Ausstellung im Museum Würth,Künzelau 1997. S. 11)
Hier lernte Gauguin Émile Bernard kennen und entwickelte mit ihm im Synthetismus neue Wege der modernen Malerei. Der Streit um dessen Urheberschaft wird die beiden 1891 wieder entzweien. Dennoch haben sie mit ihren bretonischen Bildern in Paris auf die anderen Künstler gewirkt und vielleicht auch Piet animiert, die Landschaft zu bereisen.
Ohne Titel (Bretonischer Markt/ In Lorient).
Öl auf Malpappe. 23,5 : 31 cm. Verso mit dem Nachlaß-Aufkleber „Sucession Fernand Piet“ und der Nummerierung „357“.
Wir sehen hier Bilder eines jungen Künstlers, der im Epizentrum der modernen Kunst aufwächst, lebt und arbeitet, wie eingangs auf dem Plan ablesbar und der sich von verschiedenen - manchmal konträren - Seiten anregen ließ, man bedenke nur, Piet war zeitweise Ateliernachbar von Renoir und Van Dongen! Die zeitgenössische Kritik sah das Ergebnis durchaus positiv, so schrieb „The morning Post“ am 18. November 1893: „Eine interessante Ausstellung mit Bildern und Skulpturen wurde im Théâtre de l‘Application eröffnet. Die wichtigsten Teilnehmer sind MM. Duval-Gozlan, Engrand, Giran-Max, Granié, Iker, Lepère, Paillard, Piet und Vogler. Diese Künstler zählen zur impressionistischen Bewegung in Frankreich und ihre Werke sind höchst aufschlußreich und kunstvoll ohne das sie aggressive Propagandisten wären, wie es zu häufig bei jugendlichen Erneueren der Fall ist.“
Ohne Titel (Viehmarkt in der Bretagne).
Gouache auf Malpappe. 24 : 32,7 cm. Verso mit dem Nachlaß-Aufkleber „Sucession Fernand Piet“ und der Nummerierung „258“.
„Ich liebe die Bretagne, dort finde ich das Wilde und Ursprüngliche. Wenn meine Holzschuhe über den Granit poltern, höre ich den dunklen, kräftigen Ton, den ich in meiner Malerei suche.“ (Paul Gauguin 1887)
An dieser Studie zeigt sich beispielhaft, mit welchen Mitteln Künstler wie Piet sich vom Realismus und Naturalismus abwandten, um mittels des schnellen, spontanen Malprozesses den flüchtigen Farbwechsel, dem der im Freien arbeitende Künstler ausgesetzt ist, auf dem Bild festzuhalten. Das mag einer der Gründe sein, weshalb solche „pleinair“-Skizzen mit vollendeten Gemälde durchaus gleichrangig sein können.
Ohne Titel (Bretonische Marktfrauen).
Öl auf Leinwand, auf Leinwand doubliert, mit Keilrahmen, undatiert. 45,7 : 37,5 cm. Verso mit der Nummerierung „204“. Lasierend gemalte Ölstudie über einem Bleistiftgitternetz (nach einem Foto).
Bretonische und holländische Marktplätze hielt Piet gerne auf Fotos fest, um sie später im Atelier als Vorlage für Gemälde zu benutzen. „Das Verfahren war den Malern geläufig, denn so übertrug man seit der Renaissance Entwurfsskizzen und Kartons auf die Bildfläche. Seit 1840 trat neben den zeichnerischen Entwurf die photographische Studie, die im Grunde auch kein >glaubwürdigeres< Hilfsmittel als die alte Camera obscura ist. Die Photographie vertrat das Modell. Bis vor kurzer Zeit noch hat man ihren Einfluß auf die Malerei schamhaft verschwiegen. Es herrschte die Ansicht, daß die Benutzung photographischer Aufnahmen dem Maler Unehrlichkeit bescheinige. Erst in den letzten Jahren, in denen das Photo-Zitat zum täglichen Brot der Maler geworden ist, hat die Forschung mit einigen Ausstellungen [...] solche alten >Ateliergeheimnisse< enthüllt und erwiesen, dass das befruchtende Verhältnis zwischen Photographie und Malerei so alt wie die Photographie selbst ist. [...] Die Reihe der Maler, die sich gelegentlich der Photographie bedienten, reicht von Manet, Degas, Vuillard über Cézanne bis zu Picasso. Man kann heute kaum noch ermessen, wie stark der Glaube der >Naturalisten< des 19. Jahrhunderts an die Wirklichkeit von der Photographie mitbestimmt worden ist. Die >Modernité< wurde überhaupt erst über die Photographie darstellungswürdig. Das >Il faut être de son temps< konnte erst damals zum Leitspruch vieler Maler werden. Sie waren stolz darauf, in vermeintlicher Übereinstimmung mit den neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen der Optik zu malen. [...] Piets Darstellungen der bretonischen Märkte wirken in vieler Hinsicht, besonders in ihrem dichten Kolorit und den festeren Konturen, stilisierter und deshalb >abstrakter< als die mit flottem Pinselstrich unmittelbar vor der Natur entstandenen Farbskizzen.“ (Steingräber, Erich, Fernand Piet. München 1974. S. 27 f.)
Ohne Titel (Bretonische Kinder am Meer).
Gouache auf Pappe, undatiert. 24 : 32,8 cm. Verso mit der Nachlaß-Nummerierung 297.
Piet verzichtet hier ganz auf die Ausarbeitung jeglicher Details, die Segelboote am Horizont bestehen nur aus wenigen horizontalen und vertikalen Pinselstrichen in einer Farbe. Die räumliche Tiefe entsteht zum einen durch die Staffelung der drei das Zentrum des Bildes dominierenden Mädchen sowie der beiden kleineren Kinder, die im Gegensatz zu jenen in der Bewegung zu verharren scheinen. Zum anderen setzt Piet mit dem Grün der wohl als Wiese zu verstehenden Fläche, dem hellblauem Ton des Wassers und den schwarz-grünen Kleidern kalte Farben gegen das Inkarnat und die Kleidung der kleinen Kinder, die Hauben und Schuhe der Mädchen. So schafft er zugleich einen Kalt-Warm-, als auch einen Hell-Dunkel-Kontrast, der den räumlichen Eindruck verstärkt.
Mit den blauen Konturlinien, die er hier stellenweise einsetzt und der betonten Flächigkeit nähert sich Piet dem als „Cloisonismus“ bezeichneten Stilmittel, das Bernard und Anquetin ab 1887 entwickelt hatten.
Piet hatte Bernard und Anquetin bei Cormon kennengelernt und es ist nicht auszuschließen, dass er auch Gauguin begegnete. Jedenfalls sind Arbeiten wie diese sicher nicht ohne Kenntniss der Werke Bernards und Gauguins entstanden.
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