Kunstkontor Dr. Doris Möllers

Piet, Fernand (1869 - Paris - 1942)

Das nachgelassene Werk Fernand Piets wurde nach dessen Tod von der Familie bis Ende der 1960er Jahre verwahrt, wodurch sein Name in der einschlägigen Literatur über die französischen Avantgarde des "Fin de siècle" meist vergeblich gesucht wird.

Fernand Piet wurde als Sohn vermögender Eltern am 26. August 1869 in Paris geboren. Nach Studienjahren, darunter 1885 bis 1887 im berühmten Atelier von Fernand Cormon, wo er van Gogh und Toulouse-Lautrec begegnete, sowie an der École des Beaux-Arts, wurde Piet 1893 freischaffender Maler. Seitdem stellte er jährlich in der "Société Nationale des Beaux-Arts" aus. Da er von seinen Eltern finanziellen Rückhalt hatte, war er nicht auf den Verkauf seiner Bilder angewiesen.
Neben Reisen ans Mittelmeer und Holland, zog es ihn regelmäßig in die Bretagne.
Bis 1895 stellte der berühmte Farbenhändler Père Tanguy, bei dem auch Piet seine Farben kaufte, Bilder von Cézanne aus. Auch van Gogh war hier häufig anzutreffen.
Nachdem er auf der Weltausstellung in Paris 1900 eine Bronzemedaille erhielt, stellte er ab 1902 im "Salon des Indépendants" aus, in dessen Jury er 1905 aufgenommen wurde. 1910 wurde Piet mit den "Palmes Académiques" ausgezeichnet, die Aufnahme in die "Légion d'Honneur" 1911 lehnte er ab. Nach Teilnahme am Ersten Weltkrieg konnte er erst 1921 wieder im "Salon des Indépendants"  ausstellen. Von 1925 bis 1935 beteiligte sich Piet an der Ausstellungen der "Société Nationale des Beaux-Arts". Ab 1930 zog er sich zunehmend aus der Öffentlichkeit zurück und verstarb schließlich am 24. Februar 1942 in seinem Pariser Atelier.



La robe noir (Das schwarze Kleid).

Öl auf Leinwand, auf Pappe montiert, mit Pinsel unten rechts signiert und datiert, verso erneut signiert und betitelt, (18)94. 35 : 28,5 cm. Verso mit dem Nachlaß-Aufkleber „Sucession Fernand Piet“ und der Nummerierung „39“.

Literatur: Erich Steingräber, Fernand Piet. Leben und Werk. München 1974. Mit ganzseitiger Abbildung

VERKAUFT

„Das tiefe Erfassen [...] des ersten besten Menschen, der einem in den Weg kommt, hat genügt, um wahrlich zu schaffen.“ (Van Gogh an Bernard 1888)

Während Piets erste Lehrer Cormon und Carrière wohl wenig direkten Einfluß auf den angehenden Künstler hatten, dürfte der Unterricht bei Alfred Roll entscheidendere Impulse gegeben haben. Dieser stand in seinen Thema Courbets Realismus und in seiner Malweise den Freilichtmalern nahe. Beides sind Elemente, die auch Piets Werke beschreiben.
Piet könnte das Übertragen von fotografierten Szenen auf die Leinwand mit Hilfe eines Quadratnetzes von Roll beigebracht bekommen haben (siehe N° 8 und 13) , denn auf der Fotografie, die Roll in seinem  Atelier zeigt, wendet er gerade das Verfahren an.

Steingräber betitelt das Bild als „Hausgehilfin“, die für ihn  anstelle eines bezahlten Modells posiert. Sie sei die typische Pariser Midinette, die schon von Edmont de Goncourt beschrieben wurde. 1876 hatte Edmond Duranty in seinem auf Degas‘ Gedankengut basierendem Manifest „La nouvelle peinture“ eine der Zeit entsprechende Kunst gefordert, in der der moderne Mensch nicht mehr vor einem neutralen Fond, sondern in seinem individuellen, ihn charakterisierenden Milieu dargestellt werden sollte. Piet platziert das Hausmädchen auf einem wohl schnell hinzugezogenen Stuhl vor die Tür zu einem der Räume, in denen sie vermutlich gerade zu tun hatte.

Wie zahlreiche Künstler aus Montmartre, darunter van Gogh, kaufte Piet seine Farben bei „Père Tanguy“, der bis 1895 Bilder Cézannes ausstellte, bevor Ambroise Vollard dessen Galerist wurde. Cézanne war für viele junge Künstler der „Vater der Moderne“, so blieb auch Piet nicht unbeeinflußt von ihm. Das dunkle Kleid (es besteht aus schwarzen, aber auch blau-grünen Pinselstrichen) ist ein Gegengewicht zu den Ocker- und Grüntönen von Tür und Wand. Diese wiederum tauchen als kleine Fleckchen in der Schürze wieder auf. Diese farbliche Korrespendenz, sowie den Kalt-Warm-Kontrast geht auf Cézanne zurück.



Ohne Titel (Frau mit Hut)

Öl auf Malpappe, auf Pappe kaschiert, undatiert. 33 : 23,8 cm. Verso mit dem Nachlaß-Aufkleber „Sucession Fernand Piet“ und der Nummerierung „54“.

Welch ein Unterschied in der malerischen Auffassung zwischen diesem und dem vorigen Bild! Monumental  und vom unteren Bildrand abgeschnitten, nimmt die Dargestellte (vielleicht ist sie eine Kundin im Hutsalon?) die Bildfläche ein, mit schnellem Pinselstrich grenzen die Konturen die lasierend gemalten Flächen ein. Mit einer Ausnahme: das Gesicht und die Hände der Dame fallen sowohl farblich, gleichsam als Lichtflecken, als auch durch die feinere Modellierung auf. Die dunklen Augen mit dem sinnenden Blick erinnern an Renoir, der schließlich einige Zeit sein Ateliernachbar war. Auch bei Degas finden wir ähnlich komponierte Porträts von Modistinnen oder Verkäuferinnen, mit denen er das moderne Pariser Leben darstellen wollte.

Malkartons wie dieser lassen zudem auch eine technische Beeinflussung seines künstlerischen Umfeldes erkennen. Das Bild ist sehr lasierend mit matten Farben gemalt. Toulouse-Lautrec und van Gogh experimentierten Anfang 1887 gemeinsam mit Benzin als Verdünnungsmittel (peinture à l‘essence“), möglicherweise angeregt durch Degas, der dieses Mittel besonders auf Malkarton als Bildträger einsetzte, um einen möglichst matten Farbauftrag zu erzielen. Toulouse-Lautrec blieb dieser  Technik treu, während van Gogh sich wieder davon abwendete. Für die jungen Künstler wurde der leichte Karton als Bildträger zu einer Art antiklassischem Statement.


Ohne Titel (Im Park)

Öl auf Malpappe,  undatiert. 23,5 : 29,9 cm. Verso mit dem Nachlaß-Aufkleber „Sucession Fernand Piet“ und der Nummerierung „386“. Am linken Rand fleckig.

RESERVIERT


Piet war ein typischer Vertreter des Pariser Flaneur, der durch die Straßen und Parks seiner Heimatstadt bummelte und auf zurechtgeschnitten Malpappen das großbürgerliche Leben skizzierte. Sie passten in die Deckel seines Malkasten und zählen mit ihren virtuosen Pinselstrichen und den Abbreviationen der Darstellung zum Besten in seinem Werk.
Diese Szene der „Vie moderne“ mit den Kindermädchen und ihren Schützlingen malte Piet seit seiner Studienzeit wieder und wieder am Square Montholon im 9. Arrondissement.

Anton Sailer, Verfasser mehrerer Artikel über Piet, schrieb 1968: „Wenn er nicht mit der Staffelei unterwegs war, trug er zum Faltstühlchen einen Malkasten mit sich, in dessen Innendeckel ein Malkarton war - die beendete, farbfrische Studie ließ sich im Kasten wohlbehütet nach Hause tragen. Das wurde damals, als in der Malerei die Natur noch alles galt, ganz allgemein praktiziert, und so findet sich dieses Malkastenformat im Werk aller Impressionisten. Erstaunlich bleibt, zu welcher Vollendung Piet dabei fand [...] Piet selber hat um den Wert solcher >Wunder des Augenblicks< genug gewußt, um sich davor zu hüten, das und jenes >fertig< zu malen. Damit offenbart sich eine Kardinaltugend der großen Meister des französischen Impressionismus, die überdies zum Geheimnis ihrer Substanz zu rechnen ist. Wohl haben sie so manches Werk immer wieder vorgenommen, es bis ins letzte durchgearbeitet - aber anderenteil besaßen sie auch die Hellsichtigkeit, Geglücktes einer glücklichen Stunde zu belassen, unwiederholbar Fragmentarisches über pedantisch Abschließendes zu stellen. Das war kein >Programm<. Das waren einfach Manifestationen einer seitdem nicht mehr existenten >bonne peinture< - gepflegt von einem Malerkreis, dem Fernand Piet zu Lebzeiten angehörte und dem sein Gesamtwerk beizuordnen ist.“ (Sailer, Anton, Fernand Piet. Bilder aus Paris und der Bretagne. Katalog der Galerie Interkunst München 1968. nn.)


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