Thoms, Ernst (Nienburg/Weser 1896 - 1983 Wietzen)
Ohne Titel (Landschaft).
Aquarell auf genarbtem Papier, mit Pinsel signiert und datiert, 1932. 29,8 : 40 cm. Werkverzeichnis: Allnoch 285.
Provenienz: Privatsammlung Köln.
"In der Landschaft sehe ich kein Flimmern, Licht und Schatten. Ich liebe die Landschaft um uns, nicht die heroische, aber die mit mit den Brücken, Straßen, Flüssen, Eisenbahnen, roten Häusern und Fabriken. Sie ist so reich an Formen und Leben, übersät mit Punkten, Linien und Flächen. Aus der inneren Anschauung im Atelier, nicht nach der Natur, male ich, sie siele [sic] nicht die Welt, ich bin drin und male sie in nächster Nähe. Die Urformen, Kreise, Quadrate usw. finden wir in der Natur. >Gepachtet< von Expressionisten haben sie schon längst Anwendung gefunden bei den alten Meistern." (Ernst Thoms 1926).
Thoms begann 1911 eine Anstreicher-Lehre in Nienburg, die er 1914 abbrach, um Soldat zu werden. Er geriet in englische Kriegsgefangenschaft und kehrte erst 1919 nach Deutschland zurück. Nach seiner Gesellenprüfung besuchte er 1920 die Klasse von Fritz Burger-Mühlfeld auf der Kunstgewerbeschule in Hannover. Nach sechs Monaten verließ er die Schule und bildete sich autodidaktisch weiter. Dennoch stand er in engem Kontakt zu den Mitschülern aus dem Kreis der "Neuen Sachlichkeit", allen voran Gerta Overbeck, mit der er einige Zeit liiert war. Thoms war der Einzige der Gruppe, der künstlerisch erfolgreich war. So hatte er 1928 seine erste Einzelausstellung in der Galerie Neumann-Nierendorf in Berlin. Auch im Ausland stellte man ihn aus. Durch seine Hinwendung zur Landschaft entzog er sich weitgehend ab der Mitte der 30er Jahre den Doktrinen der Nationalsozialisten. Doch musste auch er sich Verfemung und Denunziationen stellen. Mit 45 wurde er zum Kriegsdienst eingezogen, ein Bombenangriff 1943 zerstörte seine in Hannover befindlichen Werk nahezu vollständig. Nach Rückzug aufs Land und Rückkehr nach Hannover zog der fast blinde Künstler 1977 nach Wietzen, dort starb er 1983.
Schlachthaus (recto und verso).
Ohne Titel (Zwei Pferde).
Aquarell über Bleistift auf gelblichem Papier um 1919. 24,5 : 34,5 cm (Blattformat). Provenienz: Nachlaß des Künstlers; Privatsammlung Norddeutschland. Werkverzeichnis TH 02323.
Im kraftvollem, expressivem Pinselduktus sehen wir zwei Pferde, die sich offenbar aufbäumen. Der Schauplatz ist nicht auszumachen, auch nicht die Tageszeit. Maul und Augen des größeren Tieres sind aufgerissen, es scheint, als würden die Pferde vor etwas flüchten, sie wirken panisch. Sicher steht die Darstellung im Kontext zu den Kriegserlebnissen des Künstlers. Ein Meisterwerk von apokalyptisch-visionärer Bildkraft!
Ohne Titel (Arkadische Landschaft).
Gouache mit Tusche auf Ingresbütten, mit Tusche monogrammiert und datiert, 1918. 21,5 : 19,1 cm. Provenienz: Nachlaß des Künstlers; Privatsammlung Norddeutschland. An den Rändern Spuren von Heftzwecken, sonst gut erhalten. Werknummer: TH02216
Thoms war gleich zu Beginn des Krieges in englische Kriegsgefangenschaft geraten, aus der er erst 1919 nach Deutschland zurückkehren sollte. Das Arbeitslager, in dem er interniert war, setzte dem jungen Mann sehr zu, wenn er hier auch wenigstens Malen konnte. So nimmt es nicht Wunder, dass er sich nach vierjähriger Gefangenschaft (er ist jetzt gerade einmal 22 Jahre alt) nach einer paradiesischen Landschaft sehnt, wo die Faune die Panflöte spielen und die Paare tanzen. Bei aller Beschwingtheit der schwarzen Konturen, drückt das dunkle Blau und Grün des Bildes und der violette Himmel die Stimmung.
Ernst Thoms hatte schon sehr früh eine künstlerische Neigung, deretwegen er eine Malerlehre machte (als eine Art Kompensation seines eigentlichen Wunsches, Künstler zu werden), die durch Ausbruch des Krieges unterbrochen wird. Er meldet sich freiwillig und gelangt schon im Oktober 1914 in englische Kriegsgefangenschaft. Er wird in das Lager der Stadt Leigh bei Manchester verlegt, wo die Kriegsgefangenen in Kohle- und Stahlwerken arbeiten müssen. Hier wird er fünf Jahre verbringen und erst am 13. November 1919 wieder nach Nienburg zurückkehren. Dennoch kann er die Kasernierung durch Zeichnen erträglicher machen, er gewinnt sogar einen Preis im Lagerwettbewerb der Royal Academy! Der Preis ist: Malerlaubnis sowie die Bereitstellung von Malutensilien! Fünf Skizzenbücher entstehen in dieser Zeit, die in eindrucksvoller Dichte die Situation im Lager wiedergeben.
Nach seiner Rückkehr holt er die Gesellenprüfung nach und „erkämpft“ sich einen Platz in der Grafikklasse von Fritz Burger-Mühlfeld an der Kunstgewerbeschule in Hannover. Hier trifft er auf Gleichgesinnte wie Erich Wegner, Gerta Overbeck und Grethe Jürgens, die d i e Vertreter der Neuen Sachlichkeit in Hannover werden sollten. (Näheres siehe: Michael Allnoch, Ernst Thoms. Werkverzeichnis 1920-1983. Nienburg/Weser 2013).
Ohne Titel.
Gouache auf dünner Pappe, mit Pinsel monogrammiert und datiert, 1917. 31,8 : 24,2 cm. Provenienz: Privatsammlung Norddeutschland. Werknummer Th-02312. In den Ecken kleine Löcher von Heftzwecken, leichte Altersspuren.
Thoms stellt hier offenkundig den Auszug des Volkes Israel aus Ägypten dar. Im zweiten Buch Mose (Exodus) steht geschrieben: „13 (17) Als nun der Pharao das Volk hatte ziehen lassen, führte sie Gott nicht den Weg durch das Land der Philister, der am nächsten war; denn Gott dachte, es könnte das Volk gereuen, wenn sie Kämpfe vor sich sähen, und sie könnten wieder nach Ägypten umkehren. (18) Darum ließ er das Volk einen Umweg machen und führte es durch die Wüste zum Schilfmeer. Und Israel zog wohlgeordnet aus Ägyptenland. (19) Und Mose nahm mit sich die Gebeine Josefs; denn dieser hatte den Söhnen Israels einen Eid abgenommen und gesprochen: Gott wird sich gewiss euer annehmen; dann führt meine Gebeine von hier mit euch fort. (20) So zogen sie aus von Sukkot und lagerten sich in Etam am Rande der Wüste.
(21) Und der Herr zog vor ihnen her, am Tage in einer Wolkensäule, um sie den rechten Weg zu führen, und bei Nacht in einer Feuersäule, um ihnen zu leuchten, damit sie Tag und Nacht wandern konnten. (22) Niemals wich die Wolkensäule von dem Volk bei Tage noch die Feuersäule bei Nacht.“ Als ihnen nun die Ägypter folgten, bekamen sie Angst und fürchteten, in der Wüste zu sterben. „14 (15) Und der Herr Sprach zu Mose: Was schreist du zu mir? Sage den Israeliten, dass sie weiterziehen. (16) Du aber hebe deinen Stab auf und recke deine Hand über das Meer und teile es mitten durch, sodass die Israeliten auf dem Trockenen mitten durch das Meer gehen. (17) Siehe, ich will das Herz der Ägypter verstocken, dass sie hinter euch herziehen, und will meine Herrlichkeit erweisen an dem Pharao und aller seiner Macht, an seinen Wagen und Männern. (18) Und die Ägypter sollen innewerden, dass ich der HERR bin, wenn ich meine Herrlichkeit erweise an dem Pharao und an seinen Wagen und Männern.
(19) Da erhob sich der Engel Gottes, der vor dem Heer Israels herzog, und stellte sich hinter sie. Und die Wolkensäule vor ihnen erhob sich und trat hinter sie (20) und kam zwischen das Heer der Ägypter und das Heer Israels. Und dort war die Wolke finster und hier erleuchtete sie die Nacht, und so kamen die Heere die ganze Nacht einander nicht näher. (21) Als nun Mose seine Hand über das Meer reckte, ließ es der Herr zurückweichen durch einen starken Ostwind die ganze Nacht und machte das Meer trocken und die Wasser teilten sich. (22) Und die Israeliten gingen hinein mitten ins Meer auf dem Trockenen, und das Wasser war ihnen eine Mauer zur Rechten und zur Linken. (23) Und die Ägypter folgten und zogen hinein ihnen nach, alle Rosse des Pharao, seine Wagen und Männer, mitten ins Meer.“
Es ist Thoms drittes Jahr in Kriegsgefangenschaft und so mag es nahelegen, an einen „Auszug ins gelobte Land“ zu denken. Die kriegsteilnehmenden Länder gingen alle von einer kurzen Kampfdauer aus, weshalb man sich nicht auf die tatsächliche Anzahl an Kriegsgefangenen vorbereitete. Die 328000 deutschen Soldaten, die nach Großbritannien kamen, erwartete (mit Ausnahme der Offiziere) ein Barackenlager mit äußerst spartanischer Einrichtung. Viele von ihnen erlitten einen Lagerkoller, auch „Stacheldrahtkrankheit“ bezeichnet. In Leigh bei Manchester, wo Thoms nach einer kurzen Zwischenstation in Irland, interniert wird, mussten die Kriegsgefangenen in den ortsansässigen Kohle- und Stahlwerken arbeiten. Ansonsten ist die Gefangenschaft geprägt von quälender Langeweile, die Thoms durch Malen kompensiert.
Kostümball.
Schwarze Tusche und weiße Kreide auf grünlichem Papier, mit Kreide signiert, um 1920/21. 27,7 : 19 cm auf 32,8 : 25 cm. Provenienz: Privatsammlung Norddeutschland. Werknummer TH-02227. Mit leichten Altersspuren. Wahrscheinlich entstanden anläßlich eines der beliebten Kostümfeste an der Kunstgewerbeschule in Hannover, wo die Künstler ausgelassen feierten, gerne kostümiert zu einem Motto.
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